Die Bands „Die Ärzte“ und „Die Toten Hosen“ stellen für vier Konzerte im August 2022 in Berlin mit rund einer Viertelmillion Besuchenden ein Labor zur Verfügung, in dem möglichst klima- und ressourcenpositive Produkte, Prozesse und Innovationen umgesetzt, getestet und auf ihre Skalierbarkeit geprüft werden. Mit dabei: das von Startup Port @TUHH betreute Startup traceless der Technischen Universität Hamburg.
Ob der Bezug von Ökostrom, Humus-Toiletten oder kompostierbare T-Shirts: Bei den vier Konzerten (20.8., 26.8., 27.8. und 28.8.2022) auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin wurde erstmalig versucht, sämtliche Produkte und Prozesse durch C2C-Innovationen zu optimieren. Wo dies aufgrund fehlender technischer Umsetzungsmöglichkeiten oder aus Kostengründen nicht möglich war, wurden bestmögliche ökologische Alternativen umgesetzt. Alle Maßnahmen werden durch ein Informationskonzept über Cradle to Cradle, Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeit für Besuchende, Politikerinnen und Politiker sowie die Veranstaltungsbranche vor Ort und digital erklärt.
Das Labor Tempelhof wurde von Cradle to Cradle NGO, Loft Concerts GmbH, KKT GmbH – Kikis Kleiner Tourneeservice und Side by Side Eventsupport GmbH initiiert. Die Umsetzung findet gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus der Praxis statt. Mit dabei: Das Startup Traceless der Technischen Universität Hamburg.
Cradle to Cradle (C2C)-Lösungen für eine konstruktive Kreislaufwirtschaft
„Cradle to Cradle“ (C2C) ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. Das auch als Philosophie bzw. System wahrnehmbare Prinzip wurde Ende der 1990er-Jahre von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entworfen.
Ziel ist es zu zeigen, wie bereits heute vorhandene C2C-Lösungen zu einer Kreislaufwirtschaft führen können, die ökonomische, ökologische und soziale Mehrwerte für die gesamte Gesellschaft bietet – und wie daraus abgeleitet auch Großveranstaltungen mit positiven Auswirkungen für Mensch und Umwelt zum Standard werden können.
traceless-Gründerin Dr. Anne Lamp ist seit etwa sieben Jahren in der Cradle to Cradle NGO aktiv und war dabei u.a. Gründerin und Leiterin der Hamburger Regionalgruppe. „Während meiner Promotion, habe ich meine Forschung nach dem biologischen Kreislauf ausgerichtet und die Suche nach alternativen Materialien gestartet“, berichtete uns die mittlerweile promovierte Forscherin vor zwei Jahren im Interview. Zudem engagiert sie sich als C2C Trainerin in der Bildungsarbeit der NGO. Diese ehrenamtlichen Tätigkeiten sind für Anne Ehrensache.
Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im November 2022
Die Ergebnisse der C2C-Maßnahmen der erwähnten Konzerte werden im November 2022 transparent als mehrsprachiges digitales Guidebook veröffentlicht. Das Impact Measurement dafür wurde in Kooperation mit der Boston Consulting Group durchgeführt, um die Auswirkungen in Form von eingesparten CO₂-Emissionen, geringerer Müllentstehung durch Kreislauffähigkeit, positiven sozialen Auswirkungen oder höherer Materialgesundheit sichtbar und skalierbar zu machen. Verfasst wird das Guidebook in Kooperation mit der Politikberatung adelphi. Damit entsteht eine Blaupause, auf die Veranstaltende weltweit zugreifen können, um die Pionierarbeit des Labor Tempelhof fortzuführen. Gleichzeitig werden dadurch Innovationspotenziale auf Produkt- und Prozessebene sowie fehlende Rahmenbedingungen identifiziert, die eine Skalierung erschweren oder verhindern. Diese Erkenntnisse wurden in einem Report mit Empfehlungen für Wirtschaft und Politik gebündelt.
Zu den weiteren Projektbausteinen von Labor Tempelhof gehören unter anderem eine Transformationsplattform, über die Netzwerke geknüpft sowie Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden können, um die gesamtgesellschaftliche Transformation hin zu zirkulärem Wirtschaften und Handeln voranzutreiben, sowie eine C2C-Ausstellung mit Eventreihe bis 2024 in Berlin.
Labor Tempelhof ist mehr als vier Konzerte. Das Projekt zeigt, wie auf dem Markt vorhandene zirkuläre und nachhaltige Innovationen im Veranstaltungskontext, aber auch in der urbanen Entwicklung und sämtlichen industriellen und gewerblichen Sektoren anwendbar sind. Die Initiatoren retten mit vier Konzerten nicht die Welt. Aber sie kommen vom Reden ins Handeln und erschaffen einen Leuchtturm, der als Vorbild dienen kann – für die Veranstaltungsbranche und weit darüber hinaus.