Deutschland besitzt eine große Forschungslandschaft und weltweit anerkannte Köpfe in allen Bereichen der Wissenschaft. Dennoch gründen im Vergleich zum Ausland sehr wenige von ihnen. Eine neue Studie der Technischen Universität München gibt Antworten und lenkt den Blick in Richtung Psychologie.
Eigentlich herrschen perfekte Voraussetzungen für ein reges Gründungsgeschehen an den deutschen Hochschulen: Im internationalen Vergleich steht die Bundesrepublik auf Platz drei hinsichtlich der Zahl der Fachpublikationen und Platz fünf bei den Patentanmeldungen. Zudem fließen hier deutlich öfter hohe Forschungs- & Entwicklungsausgaben an Hochschulen als etwa in den USA oder China. Dennoch gründet hierzulande gerade mal ein Drittel im Vergleich zu beispielsweise Nordamerika – die Campusse der Republik sind da keine Ausnahme.
Mit der Arbeitswirklichkeit von Forschenden und vermeintlich mangelndem Risikokapital alleine könne man das aber nicht erklären, konstatiert eine nun veröffentlichte Studie der Technischen Universität München (TUM). Vielmehr seien vor allem psychologische Faktoren verantwortlich für die Gründungsschwäche deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so die Studienleitenden.
Forschende vs. Unternehmerische Denkweise
Mit Blick auf die individuelle Wissenschaftlerin und den individuellen Wissenschaftler sei oft die Denkweise ein maßgebliches Hemmnis. So würde sich die von Akribie geprägte wissenschaftliche Denkweise maßgeblich von der eher pragmatischen unternehmerischen unterscheiden. Letztere zeichne sich dadurch aus, nicht alles bis ins Letzte zu durchdenken und Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden früh in den Mittelpunkt zu rücken. Das steht laut den Autoren aber oft in krassem Widerspruch zu dem Anspruch von Forschenden, nach dem technologischen Optimum zu suchen – ein kaum aufzulösender Rollenkonflikt sei das Ergebnis.
Stress trifft Team
Gleichzeitig bedeute Gründung immer auch enormen Stress. So würden Produktentwicklung, Teamzusammenstellung und -pflege, Kapitalakquise und Behördenanforderungen den Nerven von Gründerinnen und Gründern viel abverlangen. Diese Belastung könne einen Einzelnen schnell überfordern. Umso wichtiger sei ein funktionierendes Team, das diesen Stress abfedern kann, so die Studie.
Die Betonung liegt hier auf funktionierend. Denn die Untersuchung hat auch gezeigt, dass Forscherinnen und Forscher sich oft schwer damit tun, in interdisziplinären Teams Entscheidungen zu treffen, die Expertise aller Teammitglieder auszuschöpfen und sich auf eine gemeinsame Vision zu einigen. Das Scheitern als Team sei neben der Denkweise das größte Hemmnis wissenschaftlicher Gründungsvorhaben, so die Autorinnen und Autoren.
Was muss sich ändern?
Vor diesem Hintergrund identifizieren sie aber auch Lösungsansätze und formulieren in Ihrer Studie konkrete Handlungsempfehlungen für Hochschulen. So sei es enorm wichtig, früh Freiräume für unternehmerische Ideen zu schaffen, mit spielerischen Formaten fürs Gründen zu begeistern und Vorbilder auf die Bühne zu holen, die zeigen, wie ein Wechsel aus der Forschung ins Unternehmertum gelingen kann. Zudem befürwortet die Studie eine enge Begleitung durch Gründungsberaterinnen und -berater, die gerade auch das Thema Teamentwicklung eng im Blick behalten und gegebenenfalls beratend zur Seite stehen können.
beyourpilot unterstützt
Vieles von dem übernimmt auch beyourpilot mit seinen Partnerinnen und Partnern schon heute. So finden sich neben der umfangreichen Gründungsberatung mittlerweile zahlreiche Workshops und Formate im Programm wieder, die Vorbildgründerinnen und -gründer auf die Bühne holen, Teams bei der Teamentwicklung unterstützen und gezielt die Bedarfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fokussieren. Das alles soll dazu beitragen, auch in Hamburg zukünftig noch mehr Forschende zu Unternehmerinnen und Unternehmern zu machen.
Die gesamten Ergebnisse und Empfehlungen der Studie können im Abschlusspapier hier nachgelesen werden: http://joachimherzstiftung.tilda.ws/forscher
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Hintergrund
Die Studienleitenden haben drei Jahre lang zur „Psychologie des Gründens“ geforscht. Ziel war es neben Ergebnissen auch Best Practices vorzustellen und Hochschulen konkrete Handlungsempfehlungen zu geben, um mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum erfolgreichen Gründen zu ermutigen und befähigen.
Grundlage sind 2.700 ausgewertete Fragebögen, eine Videostudie zur Entscheidungsfindung mit 52 Teams, Interviews mit 12 Gründungsteams sowie eine zweijährige teilnehmende Beobachtung bei Gründungsevents.
Finanziert wurde die Studie von der Joachim Herz Stiftung.