Wer innerhalb der Hochschule Ideen ausbrütet, die das Potenzial haben „draußen“, also in Industrie, Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft, einen echten Unterschied zu bewirken, der braucht meist erste finanzielle Mittel. Dieses Startkapital zu erhalten, ist allerdings insbesondere für Ideen schwer, die ganz am Anfang stehen. Wir haben Projektleiterin Mareike Post von Calls for Transfer (C4T) fünf Fragen gestellt. Die Förderung hilft als Anschubfinanzierung für den Wissens- und Technologietransfer der staatlichen Hochschulen Hamburgs dabei, eben jene Hürde der ersten Finanzierung zu nehmen. Mit 30.000 Euro (bis maximal 35.000 Euro) unterstützt C4T bereits zum zehnten Mal Wissenschaftler*innen dabei, ihre Projektideen innerhalb von 12 Monaten in die Tat umzusetzen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es um wirtschaftswirksame Konzepte, neue Technologien oder Erfindungen oder auch um einen angestrebten sozio-kulturellen Wandel geht: Als themenoffenes Programm lädt C4T Forschende aller wissenschaftlichen Disziplinen dazu ein, sich bis zum 31. Mai 2024 zu bewerben. Für Wissenschaftler*innen mit Gründungsambitionen bietet C4T ein eigenes Förderformat (Förderformat d), das die Vorbereitung einer Ausgründung aus den Hochschulen unterstützt.
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Was sind die Hauptziele des C4T-Programms im Rahmen der Förderung von Innovationen aus Wissenschaft und Forschung?
Calls for Transfer (C4T) ermöglicht Forschenden aus Hamburg, ihre Ideen schnell und unbürokratisch zu verwirklichen – mögen diese auch noch so sehr am Anfang stehen und deshalb für den „großen Wurf“ zu klein erscheinen. Es geht darum, Innovationen aus den Hochschulen eine Chance zu bieten, die ohne eine erste Finanzspritze keine Möglichkeit hätten, ausgetestet und angewandt zu werden. Hier stößt unsere deutsche Förderlandschaft nämlich oft an ihre Grenzen: Um Förderungen innerhalb der Forschungslandschaft zu erhalten, braucht es meist bereits einen Demonstrator, Ausgründungen benötigen erste Marktanalysen und Unternehmen möchten in Ideen aus der Forschung nur dann investieren, wenn sie schon erkennen können, welchen innovativen Wandel (und damit auch natürlich welche Form der Monetarisierung) diese für sie bedeuten. Es fehlt also eine Anschubfinanzierung, die die ersten kleinen Schritte unterstützt – an eben jenem Punkt setzen wir an. Diese Initialzündung ist natürlich insbesondere für Forschende mit Unternehmer*innengeist interessant, da sie den Start in die eigene Selbstständigkeit ermöglichen kann.
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Welche spezifischen Vorteile bietet das C4T-Programm für Gründer*innen und Forschende an den staatlichen Hochschulen Hamburgs?
Gründende haben mit C4T den Vorteil, ihre Idee mit ersten finanziellen Mitteln problemlos austesten zu können, um sie anschließend in die Tat umzusetzen. Da C4T ein Förderprogramm für Wissens- und Transferprojekte der Hochschulen ist, können wir nur Startups unterstützen, die noch nicht ausgegründet sind – alles andere wäre eine Förderung von Unternehmen. Aber in eben jener Einschränkung liegt auch ein großer Vorteil für Gründer*innen: Diese Vorstufe eröffnet nämlich einen Spielraum, der zum Experimentieren einlädt. Sowohl der Bau von Prototypen, die Erstellung von Konzepten oder Analysen als auch andere Weiterentwicklungen, die innerhalb der ersten Phase eines Projektes nicht finanzierbar gewesen wären, lassen sich mithilfe von C4T umsetzen. Mit C4T können sich Forschende, die ihr eigenes Unternehmen gründen möchten, also optimal auf ihre Zukunft vorbereiten: Hierbei spielt es keine Rolle, ob im Anschluss eines C4T-Projektes die eigentliche Ausgründung oder eben eine Weiterfinanzierung mit anderen Förderprogrammen wie EXiST oder InnoRamp wartet. Wichtig ist nur, dass die zu Grunde liegende Innovation, also die Gründungsidee als solche, das Potenzial hat, etwas zu bewirken und deshalb auch im Anschluss an die C4T-Förderung weiterverfolgt wird.
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Wie können Interessierte ihre Projektideen im Rahmen von C4T optimal präsentieren, um die Wahrscheinlichkeit einer Förderung zu erhöhen?
Um von der eigenen Idee zu überzeugen, zählt erst einmal eins: Die sogenannte Innovationshöhe. Dieser Begriff mag sehr vage erscheinen, ist aber Basis für jede Entscheidung unseres externen Gutachtendengremiums. Hier werden Fragen laut wie: Gab es das schon einmal? Ist das vielleicht eine innovative Weiterentwicklung oder Variation? Gehen die Antragsstellenden hier gedanklich, technisch oder auch prozessorientiert neue Wege? Geht es vielleicht um interdisziplinäre Partnerschaften, die so noch nicht vorhanden waren? Wichtig ist es also, im eigenen Antrag zu verdeutlichen, dass es diese Idee in eben jener Form noch nicht gab. Der Aufbau eines E-Commerce-Shops hat damit deutlich weniger Chancen, als die Kooperation zwischen Kunstschaffenden und Mathematikern, die der Wetter-App von Apple endlich zu wahren Vorhersagen verhelfen wollen – und das auch noch im richtigen Look. Damit ist gemeint, dass nicht alles komplett neu sein muss, um innovativ zu sein, sondern vor allem neu gedacht sein sollte.
An dieser Stelle ist es auch wichtig, zu betonen, dass Innovationen nicht nur in technischen Fachbereichen der Wissenschaft vorhanden sind: Auch wenn es einfacher ist, einer patentorientierten Erfindung die „richtige“ Innovationshöhe zu zusprechen, so sind insbesondere künstlerische sowie geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Disziplinen voll von innovativen Ansätzen. Hier geht es aber meist nicht um technologische Neuheiten, sondern um neues Denken oder kreative Verbindungen wie auch Variationen von bereits Vorhandenem. Klar zu erkennende, interdisziplinäre Kooperationen, Prozessinnovationen oder soziale Innovationen, die eine zukunftsfähige Gesellschaft prägen, sind in solchen Projektanträgen entscheidend.
Daneben muss im Antrag deutlich werden, wo das angestrebte Projekt eigentlich hinführen soll. Das Förderformat d), durch das die Finanzierung von Vorbereitungen einer Ausgründung beantragt werden kann, setzt natürlich Ziele wie eben jene Ausgründung voraus. Oder auch die Ausarbeitung eines Folgeantrags für andere Förderprogramme. Wichtig ist, dass im Antrag deutlich wird, dass diese 12 Monate nicht „umsonst“ finanziert werden, sondern dass es ein bereits gedachtes „Danach“ gibt. Schließlich geht es neben der Innovation auch stets darum, Ideen aus den Hochschulen hinaus und so in die Anwendung zu bringen. Auch dieser Aspekt sollte bei der Formulierung des Antrags berücksichtigt werden.
Zudem ist beim Blick in die Zukunft auch stets ein gewisser Realismus maßgeblich: Wer eine Marktanalyse, Kooperationsneubildungen, die Entwicklung eines Prototyps sowie die Erstellung eines EXiST-Antrags in 12 Monaten Projektlaufzeit plant, der denkt nicht realistisch. Wer die gesamte Fördersumme in die Anschaffung einer Maschine investieren möchte, anstatt ein wirkliches Projekt umzusetzen, wird vermutlich ebenso wenig gefördert werden. Es gilt den gesamten Prozess vom Start bis zur Verwirklichung im Blick zu behalten, die eigene Innovation gut und verständlich darzulegen und aufzuzeigen, dass sich das tatsächlich – und am besten auch noch erfolgreich – umsetzen lässt. Werden diese Aspekte im Antrag deutlich, hat man bereits sehr gute Chancen auf eine Förderung.
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Gibt es spezielle Kriterien oder Voraussetzungen, die ein Projekt erfüllen muss, um als “transferrelevant” eingestuft zu werden?
Neben der bereits dargelegten „Innovationshöhe“ ist „Transferrelevanz“ ein weiteres unserer – zugegebenermaßen – vagen Buzz-Words. Genauso wenig wie sich Innovation präzise und allgemeingültig beschreiben lässt, entbehrt auch „Transferrelevanz“ dieser Eindeutigkeit. Im Grunde geht es hierbei jedoch einfach darum, dass Ideen aus den Hochschulen außerhalb dieser Hochschulen ihre Wirkung entfalten sollen. Und zwar so, dass Unternehmen, Politik und/oder unsere Gesellschaft im Allgemeinen davon profitieren. Wer neue mathematische Ansätze einfach auf die Straße plärrt, schafft weniger Relevanz als diejenigen, die diese Ansätze zugleich übersetzen und ebenso aufzeigen, dass man sie – beispielsweise – der Entwickelnden-Kunstschaffenden-Kombo für die neue Wetter-App in die Hand drücken könnte. Auf diese Weise könnten echte Vorhersagen auf Basis der innovativen Mathematik für die Allgemeinheit getätigt, Regenschirme auf der Straße praktisch gespannt und möglicherweise sogar vor Wetterkatastrophen geschützt werden. Eben hier verbirgt sich die Relevanz: So innovativ die eigentliche Formel auch ist, so lange nicht mitgedacht wird, wie sie in der Praxis angewandt werden kann, fehlt es in unseren Augen an „Transferrelevanz“.
Rein formell lässt sich so etwas an beigefügten LOIs von Unternehmen, bereits vorhandenen Kooperationen oder konkreten Weiterfinanzierungsplänen ablesen. Aber auch eine klare Beschreibung der angestrebten Umsetzung einer Idee hilft unseren Gutachtenden dabei, die „Transferrelevanz“ eines Vorhabens richtig einzuschätzen.
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Könnt ihr Beispiele für Ausgründungen nennen, die durch die vorherigen Calls von C4T erfolgreich umgesetzt wurden?
Unser bekanntestes Beispiel ist sicherlich die traceless materials GmbH: Als Anne Lamp, eine der Gründerinnen von traceless, 2018 einen Antrag bei uns stellte, war sie noch Doktorandin an der TU Hamburg und fertigte ihren neuartigen Plastikersatz umständlich per Hand in einer handelsüblichen Nudelmaschine an. Heute haben sie und ihre Co-Gründerin Johanna Baare nicht nur ein großes Team an engagierten Mitarbeiter:innen, sondern bauen darüber hinaus ihr eigenes Produktionswerk in Hamburg-Harburg auf, das eine Fläche von 4000 Quadratmetern umfasst. Darüber hinaus nennen sie mittlerweile zahlreiche Preise ihr Eigen – wie beispielsweise den Deutschen Gründerpreis.
traceless wurde dabei nicht nur von C4T in seiner Anfangsphase finanziell unterstützt, sondern auch von Startup Port (damals beyourpilot) beratend begleitet. Diesen Weg haben übrigens einige unserer Antragsstellenden eingeschlagen: Von der COLIPI GmbH, die eine nachhaltige Palmölalternative entwickeln, über die Curvature Games GmbH, die unseren Umgang mit virtuellen Umgebungen verändern bis hin zur mo:re GmbH, die mit ihrem Mikrolabor Tierversuche beenden möchte – all diese Gründungen sind durch C4T gestartet worden, um schließlich mithilfe von Startup Port zu wachsen.
Mehr Informationen zum Förderprogramm inklusive Bewerbungsformular finden sich unter: https://hamburginnovation.de/c4t/