Im Interview mit Startupport.de erläutert Dr. Diana Schönenberger, Gründerin von BonusBot, wie das Startup durch den Einsatz von Optischer Zeichenerkennung (OCR) und Spracherkennungstechnologien dazu beiträgt, bürokratische Prozesse im deutschen Sozialsystem zu vereinfachen. Die Gründung und Entwicklung von BonusBot wurde maßgeblich von der Leuphana Universität sowie dem Startup Port und seinem HOLII-Programm unterstützt.
Woher kam die Inspiration für BonusBot und wie hast du den Bedarf erkannt?
„Die Gründung von BonusBot wurde durch persönliche Schicksalsschläge und mein Engagement in der Diakonie inspiriert, wo mir die Notwendigkeit einer Digitalisierung im Sozialsektor bewusst wurde. Mit diesem Startup soll dem zunehmenden Fachkräftemangel in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik begegnet werden, der durch den demografischen Wandel und gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration und Covid-Krise verstärkt wird. Besonders betroffen sind Frauen, die in diesem Sektor überwiegend beschäftigt sind und oft ohne ausreichende digitale Unterstützung arbeiten.
Durch meinen technologieorientierten Hintergrund erkannte ich eine einzigartige Möglichkeit, Herausforderungen in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik mit IT-Lösungen anzugehen und so den Zugang zu und die Effektivität von sozialen Dienstleistungen zu verbessern: Meine akademische Laufbahn an der Leuphana Universität und in London – Wirtschaftspsychologie, Innovation Management und Technology Policy – kombiniert mit praktischen Erfahrungen im sozialen Bereich, bildeten die Grundlage für die Entwicklung von BonusBot.“
Wie sieht die Lösung von BonusBot aus? Worin liegt die Innovation?
„BonusBot will Menschen in Not schnellen und unkomplizierten Zugang zu sozialen Leistungen bieten. Unser System überbrückt die Wissenslücken in der Beratung und bietet hier Sicherheit in der Qualität, indem es Fachkräfte bei der Antragsstellung unterstützt und dadurch wertvolle Zeit für die wirklich wichtigen Aspekte der Sozialarbeit freimacht: Sozialarbeiter*innen wählen ihren Job, um Menschen zu helfen und nicht, um Papiere auszufüllen. In der Realität ist das Ausfüllen von Formularen und die Berechnung der besten Fördermöglichkeiten für Ratsuchende ein zeitraubender und unbeliebter Teil der Arbeit. BonusBot beschleunigt und professionalisiert die Fördermittelberatung – für Profis, aber auch für Quereinsteiger. BonusBot zeigt einfach, was den Klient*innen zusteht und hilft sofort bei der Beantragung.
Innovation ist nicht nur ein neuer Algorithmus, den es vorher nicht gab. Es geht darum, ein Produkt oder eine Dienstleistung in die Welt zu bringen, die in dieser Kombination neu ist und eine große Veränderung, einen großen Nutzen für unsere Gesellschaft hat. Ideen, die am Markt umgesetzt zu wirtschaftlichem, unternehmerischem Erfolg führen können, sind mehr als nur technischer Fortschritt.
Mit dem Onlinezugangsgesetz sollen zukünftig Anträge über einen Portalverbund online gestellt werden können. Jede Behörde auf Bundes- oder Landesebene stellt sich online auf, um präsent und zugänglich zu sein. Dies ist generell großartig. Wir blicken nun aus der Sicht der normalen Bürger auf die Digitalisierung: Die Algorithmen hinter BonusBot stellen die spezifische Situation der Antragsteller und ihrer Familien in den Vordergrund, erleichtern die optimale Auswahl von Leistungen und automatisieren die vollständige Antragstellung, Dokumenteauswahl und -Verwaltung für spätere Anträge, z.B. für die Weiterbewilligung oder die neue Lebenssituation. Wir stellen die Menschen ins Zentrum und nicht die Anträge.“
Wie hast du dein Team gefunden und wie sehen die Entwicklungsschritte von BonusBot aus?
„Mein Startup-Team habe ich in der Diakonie kennen gelernt: Alle meine Mitarbeitenden haben eine Behinderung, einen Migrationshintergrund oder waren bereits in Rente. Sie haben jeweils eine Geschichte, eigene Erfahrungen und wissen, worum es bei uns geht.
Wir bauen BonusBot schrittweise auf und richten die Software auch speziell für verschiedene Kund*innen aus. Zuerst wenden wir uns mit BonusBot Pro an professionelle Nutzer*innen aus Beratungsstellen, Schulen, Hochschulen, an Betreuer*innen und Integrationsbeauftragte usw. Wir vereinfachen die Beratungsarbeit durch das Berechnen und Ausfüllen von Formularen.
Nach diesem Entwicklungsschritt gehen wir mit der 4U App aktiv in die Breite und starten dann auch mit OCR in mehreren Sprachen. Wir setzen Technologie entsprechend den Bedürfnissen unserer Kund*innen ein. Das gilt auch für künstliche Intelligenz: Wir haben damit schon vor dem Hype um KI gearbeitet, sie aber nicht in die aktuelle Version integriert, sondern nur in die 4U App – als Option für die Kund*innen.
Ich glaube, der Kern einer erfolgreichen Markteinführung und des Fortschritts liegt nicht darin, dass wir alles, was technisch möglich ist, sofort in BonusBot stecken, sondern dass wir ein echtes gesellschaftliches Problem lösen – ein Problem der Bürokratie und der Ungerechtigkeit. Dafür brauchen wir nicht alles, was menschenmöglich ist, sondern eine sichere, gut erprobte Technologie, die mit all dem Wissen gefüttert wird, das wir aus unserer langjährigen Erfahrung und Forschung selbst, aber auch von Netzwerkpartner*innen, Pilotkund*innen und Mentor*innen haben.“
Wie genau sah der Support der Gründungsunterstützung der Leuphana beziehungsweise von Startup Port aus?
„Von der Idee in der Diakonie bis zum Geschäftsmodell hat uns vor allem das HOLII-Programm von Startup Port durch den daraus resultierenden Austausch mit anderen geholfen – die Vernetzung und auch das Mentoring an der Leuphana durch Carsten Wille von Startup Port, Prof. Paul Drews und ganz besonders auch durch unseren HOLII-Mentor Herrn Krause von der Sparkasse Lüneburg war extrem hilfreich.“
Wie hat das HOLII-Programm von Startup Port dazu beigetragen, BonusBot von der Idee in die Realität umzusetzen?
„Nach der Teilnahme am HOLII-Programm erhielten wir ein Gründungsstipendium und die Unterstützung der Leuphana Universität sowie des Startup Port ging auch nach dem Programm weiter, um unseren Businessplan zu realisieren. Als erste in meiner Familie, die Abitur gemacht hat und aus einem Arbeitermilieu stammt, war es für mich besonders wichtig, ein starkes Netzwerk aufzubauen, um Zugang zu wertvollen Ratschlägen und Erfahrungen aus Bereichen zu erhalten, die mir bis dahin fremd waren.“
Wie hat die Zusammenarbeit mit Expert*innen und Mentor*innen im Rahmen des HOLII-Programms die Entwicklung und Ausrichtung von BonusBot beeinflusst?
„Als wir uns dazu entschlossen hatten, zunächst eine Pro-Version auf den Markt zu bringen und dann schrittweise in den 4U-Bereich und später in andere Sektoren zu gehen, haben wir dafür viel Zuspruch von den Expert*innen des Programms erhalten. Das hat uns darin bestärkt. Wenn man begrenzte Ressourcen hat, kann man eben nicht alles gleichzeitig entwickeln. Aber eine App für alle ist schon meine Vision und Motivation.“
Wie sehen die Zukunftspläne für BonusBot aus und gibt es bereits Überlegungen zur Erweiterung der Services oder zur Skalierung des Projekts?
„Wir haben die Marke eintragen lassen und alle möglichen EU-weiten Domains gesichert. Es ist klar, dass wir perspektivisch nicht nur in den Business-to-Consumer-Markt gehen werden, sondern auch in den GovTech-Bereich – hier haben wir bereits Anfragen von Kund*innen – und auch direkt in Bereiche, die für Menschen im höheren Alter relevant sind – es gibt etwa 17 Millionen Senior*innen in Deutschland, Tendenz steigend. Wir erweitern permanent unsere Berechnungen, erreichen durch die Unterstützung sozialer Einrichtungen aktuell bereits 20 bis 25 Prozent der deutschen Bevölkerung mit den von uns abgedeckten Antragsarten. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der Vielzahl an Menschen, die Unterstützung benötigen, steht unserem Startup eine bedeutende Aufgabe bevor.“