In einer Welt, in der die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt zunehmend verschwimmen, steht die Technologiebranche an der Schwelle zu einer neuen Ära der virtuellen und erweiterten Realität: Die kürzlich vorgestellte Apple Vision Pro verändert die Art und Weise, wie wir mit digitalen Umgebungen interagieren, und eröffnet neue Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund sprachen wir mit Dennis Briddigkeit, Geschäftsführer des Hamburger Virtual-Reality-Spiele-Studios Curvature Games. Die Unternehmensentwicklung des Startups wurde maßgeblich von beyourpilot bzw. Startup Port unterstützt.
Wie verbessert die Apple Vision Pro die User-Erfahrung im Vergleich zu bestehenden Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Lösungen? Welche spezifischen technologischen Durchbrüche der Apple Vision Pro findest Du am beeindruckendsten, und warum?
Ich habe die Apple Vision Pro noch nicht in der Hand gehabt, da sie bisher nur in den USA verfügbar ist. Aber von dem, was man in Reviews und Berichten sieht, scheint sie einen neuen Standard im Bereich Augmented Reality (kurz AR – das ist die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung) zu setzen. Obwohl man dieses Wort nicht mehr verwenden soll: Apple versucht mit aller Macht, den Begriff ‘Spatial Computing’ zu etablieren, in der Kommunikation kommen die Wörter Virtual Reality (kurz VR – das ist eine computergenerierte Realität) und AR nicht vor. ‘Spatial Computing’ ist jedoch nichts Neues oder etwas, das Apple erfunden hat. Es ist ein Konzept, das beschreibt, wie Menschen räumlich mit Computern interagieren, anstatt nur vor einem Bildschirm zu sitzen.
Insgesamt hat das Gerät um die 5.000 Patente, also gibt es einige Neuheiten. Der größte Durchbruch ist aber vermutlich zum einen die Aufmerksamkeit, die dem ‘Spatial Computing’ zuteilwird. Dazu zwei Sachen, die Apple einfach wirklich kann: Hardware und User Experience Design (UX). Apple wird dabei helfen, den Standard für Headsets zu definieren – vielleicht nicht mit der V1 oder der V2, aber auf lange Sicht werden sie starken Einfluss auf die allgemeine Hardwareentwicklung haben. Das Gleiche gilt für die UX. Apple war schon immer sehr gut darin, Abläufe und Interfaces einfach und intuitiv zu gestalten. Wie bei der Hardware wird Apple auch in diesem Bereich, der in Extended Reality (XR) extrem wichtig ist, neue Standards setzen: Wie interagiere ich als Mensch in einer virtuellen räumlichen Welt mit meiner Umgebung?
Welche neuen Möglichkeiten eröffnet die Apple Vision Pro für Spieleentwickler*innen und Content-Ersteller*innen im Bereich der erweiterten Realität?
Die neuen Sensoren und Kameras sollen sehr leistungsfähig sein und eine präzise Verfolgung von Bewegungen und Gesten ermöglichen, was neue Steuerungs- und Interaktionsmöglichkeiten eröffnet. Und das erlaubt uns als Entwickelnde wiederum, neue Arten und Wege zu finden, wie wir User in unseren Anwendungen mit digitalen Inhalten interagieren lassen können.
Wie passt die Apple Vision Pro in Eure Vision der Zukunft der räumlichen Computertechnologie und des immersiven Entertainments?
Es war lange ein offenes Geheimnis, dass Apple an einem Gerät arbeitet. Aber es ist für die ganze Branche ein gutes Zeichen, dass die wertvollste Marke der Welt sich so deutlich zu XR bekennt und investiert. Es war aber absehbar, dass langfristig weitere große Technologiemarken in diesen Markt eintreten. Und am Ende des Tages belebt Konkurrenz das Geschäft. Davon profitieren hoffentlich wir als Entwickelnde durch neue Features um Inhalte zu erschaffen und Geschichten zu erzählen und am Ende des Tages die Konsumierenden durch hochwertige und hoffentlich erschwingliche Hardware.
Wie seht Ihr die Apple Vision Pro im Kontext der Evolution der VR- und AR-Technologie, und welchen Einfluss könnte diese auf die Zukunft des immersiven Storytellings haben?
Für die Entwicklung ergeben sich meiner Meinung nach keine neuen bahnbrechenden Einflüsse auf das Storytelling. Also jedenfalls nichts, was es nicht schon gibt. Andere Devices kommen vielleicht nicht an die Qualität des 3.500 US-Dollar (= 3.236 Euro) teuren Geräts heran, aber bieten in Sachen Funktionsumfang mehr an. Aber wie gesagt: dazu muss ich sie erst mal selber testen und dafür entwickeln.
Welche langfristigen Auswirkungen könnte die Apple Vision Pro auf die Art und Weise haben, wie wir lernen, arbeiten und spielen…
Wir sehen zunehmend mehr Anfragen aus den Bereichen Bildung, Training und Edutainment. Aktuell entwickeln wir ein spannendes Projekt, das speziell für Schüler*innen konzipiert ist. Sie arbeiten dort in einem virtuellen Mikrobiologielabor und lernen, wie ein solches Labor funktioniert – eine Erfahrung, die im realen Leben nicht für jede*n Schüler*in zugänglich ist. Das ist besonders für diejenigen interessant, die eine berufliche Laufbahn in diesem Bereich in Erwägung ziehen, aber wenig bis keine Möglichkeit haben, dort einmal hineinzuschnuppern. Man kann jedes denkbare Szenario nachbauen und das beste: nichts kaputt machen. Perfekt um zu lernen. Ich kann mir bereits zu jedem Fach Anwendungen vorstellen: Chemie, Physik, Mathe, Geschichte etc. Der Trick wird vermutlich nur sein, diese Technologie langfristig in das Kurrikulum einzubauen. Da gibt es sicherlich noch eine Menge bürokratische und leider auch finanzielle Barrieren. Aber die ersten Schritte sind getan und wir finden diesen Bereich super spannend.
… und wie bereitet sich Curvature Games darauf vor, Teil dieses Wandels zu sein?
Wir bereiten uns so gut wie möglich darauf vor. Das Investment von Apple in das Spatial Computing bzw. in XR ist für die ganze Branche ein gutes Zeichen. Konkurrenz belebt das Geschäft und Meta ist nun mit der Consumer-Marke Quest etwas in Zugzwang geraten, auch wenn sie das nicht zugeben wollen. Wobei sich diese Devices eigentlich auch schwer vergleichen lassen: die Apple Vision Pro richtet sich ganz klar an Profis und B2B, wobei die Quest die heimischen Wohnzimmer erobern will. Aber wir beobachten genau was passiert und wollen uns natürlich auch schnell kreativ und technisch auf den ganz neuen Headsets austoben.
Inwiefern verändert die Apple Vision Pro die Herangehensweise von Curvature Games an die Content-Kreation und -Entwicklung?
Wir sind als reines VR-Games Studio gestartet, aber das hat sich im Laufe der letzten Jahre etwas verändert. Es wird vermutlich immer einen Markt für reines VR geben, aber wir sehen uns mittlerweile als XR-Kreativ- und Entwicklungsstudio – natürlich weiterhin mit Fokus auf Games, weil wir alle aus dem Gaming kommen und dort auch nicht wegwollen. Wir entwickeln zum Beispiel gerade ein Mixed-Reality-Spiel, das Virtual Reality und Augmented Reality Elemente verbindet. Und vor allem sehen wir, wie andere Anwendungen (z.B. Bildung) von Games bzw. Game Design profitieren können. Die Apple Vision Pro als Spatial Computing Device bekräftigt uns in dieser Entscheidung uns im Bereich XR zu öffnen – es ist also für uns ein logischer nächster Schritt.
Sieht Curvature Games potenzielle Kollaborationen oder Partnerschaften im Zusammenhang mit der Apple Vision Pro?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben schon Kundenanfragen, die wir leider auf Grund der geringen beziehungsweise komplizierten Verfügbarkeit der Hardware etwas zurückstellen müssen. Ebenso benötigt man einen amerikanischen iTunes Account. Wir bereiten uns aber darauf vor und haben schon einige Projekte, die wir gerne auf die Apple Vision Pro portieren möchten.
Mit welchen Herausforderungen könnten Entwickler*innen beim Entwerfen von Erlebnissen für die Apple Vision Pro konfrontiert sein, und wie plant Curvature Games, diese zu überwinden?
Apple hat eine eigene Programmiersprache, das ist aber eigentlich schon alles. Man muss also mit der Entwicklung für Apple-Produkte vertraut sein. Aber alles in allem ist kein großes Hindernis: man muss sich also personell darauf vorbereiten und zusehen, dass man die erforderlichen Skills und Erfahrungen im Hause hat. Dazu hat jedes Headset seine Eigen- und Besonderheiten, was die Entwicklung betrifft. Da wir aber von Anfang an für verschiedene Headsets entwickeln, ist dies für uns nichts Neues und bietet natürlich auch erfreuliche Abwechslung durch neue Features und Möglichkeiten. Aber um das genau zu beantworten, muss man das Gerät nun endlich mal in den eigenen Händen halten.
Wie ist Curvature Games seit dem InnoRampUp-Förderbescheid aufgestellt und wie bereitet Ihr Euch auf die Zukunft vor?
InnoRampUp war ein wichtiger Bestandteil und Hilfe unserer Unternehmensentwicklung. Neben der Entwicklung von Games ist bei uns auch das Projektgeschäft immer wichtiger geworden. Also Auftragsarbeiten im Bereich VR und AR. Wir entwickeln viel im Bereich Edutainment und Bildung und haben einige Projekte im Bereich Kunst und Kultur. Da wir in einer sehr schnelllebigen Industrie arbeiten und vor allem die Games-Branche gerade nicht einfach ist, müssen wir einfach nur agil bleiben und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Sowas wie der Launch der Apple Vision Pro ist ein Signal in den Markt und man muss als kleines Unternehmen einfach ständig schauen, wohin sich dieser nun Markt entwickelt und wie man darauf reagieren muss. Mit dieser Frage stehe ich morgens auf und mit dieser Frage gehe ich abends wieder ins Bett. Aber das macht es ja spannend.
Weiterführende Links: