Drei Studierende der Leuphana Universität Lüneburg haben die Landwirtschaft für sich entdeckt: Neben ihrem Bachelor-Studium gründeten sie das Projekt CubeCrops, um die Stadtbevölkerung durch innovatives Vertical Farming mit nachhaltig angebauten Lebensmitteln zu versorgen. Erste Ideenskizzen dazu wurden im Gründungscamp des Startup Port weiterentwickelt. Das Konzept wurde im November bei der Lünale, der jährlichen Preisverleihung für erfolgreiches Unternehmertum im Landkreis Lüneburg, als Gründungsidee des Jahres 2023 ausgezeichnet.
Der zündende Funke war eine einfache Erkenntnis: „Joshua und mir ist aufgefallen, dass die Landwirtschaft, die uns täglich mit Lebensmitteln versorgt, ganz anders aussieht, als das romantisierte Bild, das so oft vermittelt wird“, erklärt Leuphana-Student Martin Auer. Die konventionelle, industrielle Landwirtschaft verursache Umweltschäden durch den Einsatz von Pestiziden und Schadstoffemissionen durch lange Transportwege. Und am Ende würden unglaubliche Mengen der so produzierten Lebensmittel weggeworfen, weil sie bereits auf den langen Transportwegen verdorben sind oder über den tatsächlichen Bedarf hinaus produziert wurden. Deshalb suchten die beiden nach einer Lösung, wie Gemüseanbau mit vielen kleinen, dezentralen, lokalen Anlagen funktionieren kann.
Konzeption von CubeCrops: Vertical Farming in der Stadt
Hier kommt das Prinzip des Vertical Farming zum Tragen. Die Pflanzen werden platzsparend in Regalen übereinander angebaut. Dadurch kann auf einer kleinen Fläche ein höherer Ertrag erzielt werden. Zudem wird Vertical Farming in der Regel in kontrollierten Wachstumsumgebungen durchgeführt. Die Pflanzen werden über eine Nährlösung mit den notwendigen Nährstoffen versorgt. Gleichzeitig sorgen Pflanzenbeleuchtungs- und Klimatisierungssysteme für ein optimales Wachstumsklima. Im Vergleich zum konventionellen Ackerbau kann so ein deutlich schnelleres und jahreszeitlich angepasstes Pflanzenwachstum erzielt werden, auf Pestizide kann vollständig verzichtet werden und es wird bis zu 97 Prozent weniger Wasser benötigt.
Herausforderung und Innovation im Energieverbrauch
Die Idee ist allerdings nicht neu: „Es gibt bereits Firmen, die dieses Prinzip anwenden“, sagt Joshua Biron. „Aber die sitzen in den USA, in Asien oder auf der arabischen Halbinsel.“ In Deutschland und Europa sei das Konzept noch nicht so verbreitet oder bestehende Firmen mit einem ähnlichen Ansatz hätten in den vergangenen Monaten aufgegeben, weil sich ihr Geschäftsmodell angesichts steigender Energiepreise nicht mehr rechnete. „Es fehlt vor allem an widerstandsfähigen Geschäftsmodellen, die unabhängig von steigenden Energiepreisen funktionieren“, so Joshua. Um die Herausforderung des hohen Energieverbrauchs zu lösen, verfolgt das Gründungsteam Ansätze zur Nutzung industrieller Abwärme und zur technischen Verbesserung der Energieeffizienz.
Vom Gründungscamp des Startup Port zum Prototyp
Aus diesen Überlegungen entstanden erste Ideenskizzen, mit denen sich Martin und Joshua im Sommer 2023 für das Startup Port Gründungscamp anmeldeten. Dieses fand an drei Tagen im Hamburger Technologiepark Tempowerk statt. Hier wurden gemeinsam mit Gründungsberatenden die einzelnen Bausteine einer wissensbasierten Geschäftsidee auf den Prüfstand gestellt und zu einem ausgereiften Geschäftsmodell weiterentwickelt. Anhand von Canvas-Modellen, Rapid Prototyping und verschiedenen Risikoszenarien wurde das Angebot konkretisiert, die Zielgruppe geschärft und das Erlösmodell auf Machbarkeit und Skalierbarkeit geprüft, um das Unternehmen auf eine solide Basis zu stellen.
Das im Gründungscamp des Startup Port überarbeitete Konzept sieht nun vor, ausrangierte Schiffscontainer so umzubauen, dass in ihnen auf Regalen Pflanzen gezüchtet werden können – das Spektrum reicht von Blattgemüse und Kräutern bis hin zu Erdbeeren oder Algen. „Sogenannte Leafy Greens, also Pflanzen, deren Blätter zum Verzehr geerntet werden, eignen sich besonders gut für diese Form des Anbaus“, sagt Joshua. „Damit sind etwa zehn Ernten pro Jahr möglich. Mit Obst oder Gemüse, bei denen man immer warten muss, bis eine Frucht reif ist, kann man nicht so viele Zyklen erreichen.“ Außerdem sind solche Pflanzen meist größer und aufwendiger zu kultivieren. Das geht zu Lasten der Effizienz in den räumlich begrenzten Containern.
Ein erster Prototyp wurde bereits entwickelt. Hilfreich waren dabei die Kontakte des Teams zum Lüneburger Gründungsökosystem: Im „Utopia Lüneburg“ fanden sie Räumlichkeiten für die Entwicklung ihres Prototyps, im FabLab Lüneburg erhielten sie Unterstützung bei der Programmierung einer Steuerung. Als Mini-Container diente zunächst eine ausrangierte Kühlvitrine. „Da hat uns der Zufall geholfen“, sagt Martin, „als wir eines Abends aus dem Utopia in die Lüneburger Innenstadt kamen, fanden wir die Kühlvitrine, die gerade jemand als Sperrmüll an die Straße gestellt hatte. Sie war ideal für uns, um sie nach einem kleinen Umbau für unsere Experimente zur kontrollierten Pflanzenzucht zu nutzen.
Auszeichnung und Aufmerksamkeit: Erfolg bei der Lünale
Die Auszeichnung bei der Lünale und die anschließende Berichterstattung haben dem Team einige Aufmerksamkeit beschert. So meldeten sich bereits kurz nach der Veranstaltung mittelständische Unternehmen aus der Region, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Kooperationen mit Industrieunternehmen sind für das Team besonders vielversprechend, da die in den Betrieben anfallende Abwärme besonders im Winter gut für die Beheizung der Anlagen genutzt werden kann. Dazu würden die Container auf den Firmengeländen der Partner aufgestellt. Dies hätte neben der Energieeffizienz einen weiteren Vorteil: Die Container würden auf bereits versiegelten Flächen stehen und es müssten keine Grünflächen neu versiegelt werden. Gleichzeitig wäre die Anbaufläche verbrauchernah, würde aber den Anwohnern in den Innenstädten keinen wertvollen Wohn- oder Erholungsraum wegnehmen.
Erweiterung des Teams und Optimierung des Prototyps
Mittlerweile ist Kommilitonin Anabel Burchill zum Team gestoßen und arbeitet mit ihren Mitstreitern fleißig an der Optimierung des Prototyps. Inzwischen planen die drei auch schon eine Nummer größer: Erste Gespräche über die Anschaffung und den Ausbau eines ersten richtigen Schiffscontainers laufen. Generell soll der Bau der Anlagen aber später ausgelagert werden.
Zukunftspläne: Größere Container und Community-Organisation
Für das Gründungsteam steht die Organisation der Community im Fokus des gesamten Konzepts. Joshua erklärt: „Wir haben uns viel von der solidarischen Landwirtschaft abgeschaut, bei der die Ernte unter den Teilnehmenden aufgeteilt wird“. Und Martin ergänzt: „Bei uns bekommen die Teilnehmenden regelmäßig Gemüse aus hyperlokalem, nachhaltigem und schadstofffreiem Anbau.“
Interessierte, die CubeCrops bei der Umsetzung eines Pilotprojektes unterstützen möchten, können sich per E-Mail an das Team wenden: info@cubecrops.de.
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