Die kalifornische Risikokapitalgesellschaft Accel investiert gemeinsam mit dem Berliner Visionaries Club und 20VC aus London 17 Millionen Euro in das Startup Taxdoo, welches von drei ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern der Universität Hamburg gegründet wurde.
Kleine E-Commerce-Händlerinnen und -Händler profitieren bei international agierenden Onlinehandelsplattformen von deren globaler Reichweite, jedoch haben sie aufgrund der Internationalität oft Probleme, da sie in verschiedenen Ländern ihre Umsatzsteuer erklären und dabei die entsprechenden Regeln befolgen müssen. Obwohl die logistische Abwicklung des grenzüberschreitenden Online-Handels immer einfacher wird, hinkt das Umsatzsteuerrecht dieser Entwicklung hinterher.
Vor vier Jahren erkannte der Umsatzsteuerexperte Roger Gothmann diese Problematik und entwickelte daraufhin mit Dr. Christian Königsheim und Dr. Matthias Allmendinger eine Software, die ermittelt, welcher Steuersatz auf eine Rechnung gehört und welche Daten man überhaupt im Ausland melden muss. Roger Gothmann begann seine Karriere als Umsatzsteuer-Sonderprüfer im Finanzamt und hat jahrelang im Bundeszentralamt für Steuern EU-weit Umsatzsteuerthemen koordiniert. Allmendinger und Königsheim haben sich bereits in ihren Promotionen am Lehrstuhl für Bankbetriebslehre und Behavioral Finance der Fakultät für Betriebswirtschaft mit der Digitalisierung von Prozessen im Finanzbereich beschäftigt. Das Team konnte sich mit Hilfe von Nadine Weitendorf vom Gründungsservice der Universität Hamburg in Kooperation mit Nils Neumann von der Hamburg Innovation GmbH (heute das Projekt „beyourpilot“) ein EXIST Gründerstipendium in 2016 sichern. Der Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Markus Nöth unterstützt das Team seit ihrer Findung als Mentor. Dr. Moritz Lukas, Postdoc am selben Lehrstuhl, berät das Team strategisch.
Die Taxdoo-Software erklärt durch die automatisierte und systematische Sammlung, Auswertung und Übermittlung von Umsatzdaten, wo Steuern zu zahlen sind und erstellt jeden Monat alle Dokumente, die erforderlich sind, um sich in der gesamten EU konform mit den Umsatzsteuergesetzen zu verhalten. Umsatzsteuer-Compliance wird deutlich einfacher, zuverlässiger und günstiger: Die Taxdoo-Software kann unter anderem für den Vertrieb über Amazon, Ebay und eigene Onlineshops auf Basis des Softwareanbieters Shopify genutzt werden – und zwar „plug and play“. Vorher mussten die Händler hierzu umständlich mit Excel-Tabellen jonglieren. Diese Serviceleistung überzeugt Kundinnen und Kunden: Dem Unternehmen zufolge beziehen über Tausend die Software im Abonnement. Christian Königsheim erklärte jüngst in einem Bericht des Handelsblattes, dass Taxdoo einen mittleren siebenstelligen Umsatz erziele und seit gut zwei Jahren einen Überschuss. Alles ohne bezahlte Werbung. Anfang 2020 stieg die Zahl der Mitarbeiter von 25 auf 50.
Dieser Erfolg auf einem noch recht unbestellten Terrain hat US-amerikanische Investoren auf den Plan gerufen: Die kalifornische Risikokapitalgesellschaft Accel verkündete am vergangenen Dienstag ein Investment in Höhe von 17 Millionen Euro – gemeinsam mit dem Berliner Visionaries Club und 20VC aus London. Accel hat sich bereits durch die frühe Finanzierung von Facebook einen Namen gemacht hat aussichtsreiche Startups wie UiPath, Celonis und Personio im Portfolio. Das ist die erste Finanzierungsrunde für Taxdoo. Das Startup wurde zudem seit dem 1. April 2016 durch das EXIST-Gründerstipendium gefördert, einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Förderung von Ausgründungen aus der Wissenschaft, welche den drei Gründern Mittel von insgesamt mehr als 140.000 Euro zu Verfügung stellte.
Taxdoo kann optimistisch in die Zukunft blicken: Accel-Partner Harry Nelis, der das Unternehmen künftig als Aufsichtsrat begleiten wird, erklärte im Handelsblatt kürzlich, Taxdoo könne ein neues Segment für Technologieunternehmen prägen, indem es „Verkäufern den Weg durch die Minenfelder von Steuern und Compliance erleichtert. „Taxdoo ist eine ganz sichere Bank für die Onlinehändler“, lobte dort auch E-Commerce-Experte Mark Steier, denn: „Faktisch gibt es andere Unternehmen, die diese Services auch anbieten. Praktisch ist es so, dass diese häufig in der Kritik stehen.“ Händler beschwerten sich, dass sie teilweise hohe Nachzahlungen oder Strafzahlungen in den jeweiligen Ländern leisten müssen – nur über Taxdoo gebe es solche Klagen bisher nicht.
Ergänzende Quelle: Handelsblatt